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Ludolf von Maltzan, Geschäftsführer Ökodorf Brodowin, Dr. Stefan Elfenbein, Präsident Jury "Berliner Meisterköche",Gabriele Maessen, Regionaldirektorin Azure Hotels, Peter Frühsammer, Frühsammers Restaurant, Christopher Kümper, Küchenchef Restaurant Schwein, und Henrik Wendorff, Präsident Landesbauernverband Brandenburg (v.l.) Foto: © Gero Schreier

Berliner Edel-Küche – Chancen für Landwirte in Brandenburg?

Was können einheimische Bauern den Gourmet-Restaurants der Bundeshauptstadt liefern? Und in welcher Qualität? Trotz gepfefferter Preise wächst die Berliner Edel-Gastronomie und ihre Ableger im Umland so schnell wie kaum eine andere Sparte im Gastgewerbe. Wer als Bauer auf diesen Zug aufspringen kann, hat Chancen dem weltweiten Verdrängungswettbewerb zu entgehen.

Gleichzeitig gibt es immer weniger gemütliche, kleine Dorfkneipen. In denen man ein paniertes Schweineschnitzel mit hausgemachtem Kartoffelsalat essen kann. Wo Sülze mit Brot zu bestellen keine Schande ist.

Das „Geschäft“ in den Sterne-Lokalen oder Fast-Sterne-Lokalen muss sich also lohnen. Wenn wir es realistisch betrachten, dann ist die Verwendung von Lebensmitteln aus der Region oft nur noch das schmückende „Sahnehäubchen“. Trotzdem waren sich die Teilnehmer des TourismusDialog.Berlin am 20. Februar 2017 weitgehend einig: Für die Qualitäts-Gastronomie, unbestritten ein Aushängeschild des Tourismus, muss noch mehr getan werden, sollten bürokratische Barrieren der Vergangenheit angehören. Küchenchefs, Reise- und Veranstaltungsprofis und Journalisten halten das Erreichte zumeist für ungenügend.

Der Ort des Forums war übrigens gut gewählt. Gastgeber Hotel Indigo in der Nähe des Alexanderplatzes bietet Entrecote vom Feinsten an. Ich habe mich geärgert, nicht gefragt zu haben, woher das Haus das Fleisch für die Gaumenfreuden bezieht.

Die kompetenten Gesprächspartner auf dem Podium vertraten unterschiedliche Aspekte der Thematik. Der Präsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Henrik Wendorff, machte als Öko-Bauer recht überzeugend auf die Probleme seines Berufsstandes aufmerksam. Die Frage, ob Öko von vornherein für mehr Qualität stehe als die konventionelle Landwirtschaft, wurde an diesem Abend gar nicht erst gestellt. Offenbar gingen die meisten Gäste davon aus, dass die „Konventionellen“ ohnehin nur zweite Sieger seien.

Auch der andere Bauer sprach für die ökologische Landwirtschaft. Ludolf von Maltzan ist Geschäftsführer vom Ökodorf Brodowin bei Eberswalde. Seine Bilanz war beeindruckend: In 500 Verkaufsstellen sind seine Produkte zu bekommen. 2.000 Privatkunden werden beliefert. In 70 Cafes der Bundeshauptstadt wird der Kaffee mit Milch aus Brodowin serviert. Und sogar so etwas gibt es: Ein Berliner Unternehmen kredenzt den Mitarbeitern jede Woche ein Ökofrühstück. Brodowin ist der Leuchtturm in der märkischen Öko-Landwirtschaft. Möglich geworden, weil man viel Geld investiert hat, vor allem in die Weiterverarbeitung. Die eigene Molkerei gilt bundesweit als beispielhaft. Qualität ist also eine Seite der Medaille, die Weiterverarbeitung die andere, nicht weniger wichtige.

Peter Frühsammer, gebürtiger Schwabe, ist ein gestandener Küchenchef. Im gleichnamigen Gourmet-Restaurant in Berlin-Schmargendorf hat er das Sagen. Er hält vor allem das System, sich mit Qualitätsfleisch aus der Region einzudecken, für viel zu kompliziert. Es könne doch nicht die Aufgabe von Küchenchefs sein, Rinder, Schweine oder Schafe selbst zu schlachten. In ganz Berlin gebe es seines Wissens nach einen einzigen ernstzunehmenden Schlachthof. Immerhin würden sich nach wie vor kleinere brandenburgische Metzgereien der Schlachterei widmen.

Dagegen berichtete Christopher Kümper eher begeistert von seinen Erfahrungen mit einem Qualitätsfleisch-Produzenten. Der junge Mann, noch keine 30 Jahre alt, ist Küchenchef im Restaurant „Schwein“ in Berlin-Mitte. Sein gastronomisches Rüstzeug hat er sich in New York und Singapur geholt. In der Hauptstadt gilt er als kulinarische Hoffnung. Kümper kooperiert mit dem „Potsdamer SauenHain“. Der kleine Betrieb beliefert ihn mit genau dem Fleisch, dass ihm vorschwebt. Zwei Borstentiere benötigt er pro Woche. Mit insgesamt vier bis sechs Schlachtungen würde der SauenHain ohnehin an seine Grenzen stoßen. Kleingliedrigkeit und Qualität, da waren sich die Experten einig, gehören zusammen.

Auf die Frage, welche konkreten Wünsche die beiden Spitzen-Gastronomen an brandenburgische Landwirte haben, waren die Antworten eher unbefriedigend. Die Qualität von einheimischem Spargel würde ihren Ansprüchen nicht genügen, namentlich in den ersten Erntewochen. Man wolle keinen „Folien-Spargel“. Ein bisschen ins Detail hätten die beiden gehen können, beispielsweise woran es fehle. An Heidschnucken-Fleisch oder Lenden vom Galloway-Rind, an Qualitäts-Kartoffeln, Rosenkohl mit eigener Adresse oder an Roggenbrot mit dem Hinweis auf die Bäckerei, die Mühle oder den Getreidebauern.

Der Bauern-Präsident wartete am Schluss mit einer interessanten Idee auf: mit dem Projekt für eine mobile Schlachterei. Die könnte von Hof zu Hof fahren und das Fleisch fach- und normgerecht vor Ort zerlegen. Auf das Ergebnis darf man neugierig sein.

Lars Franke

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