Wasser verliert niemals seinen Weg – in diesem Sinne machen wir uns auf heimischen Wasserstraßen…
Kein Disneyland in Berlin-Mitte?
Mehr als 100 Gäste waren auf Einladung des TourismusDialog.Berlin am 14. August 2017 zum Medienforum in die Humboldt-Box am Berliner Schlossplatz gekommen. Sie alle interessierte, wie das Humboldt Forum nach weitgehend historischem Vorbild am Ort des früheren Berliner Schlosses in unmittelbarer Nähe des Berliner Doms errichtet wird. Das Barockschloss wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört und von 1950 bis 1951 abgerissen. In der DDR stand dort der Palast der Republik, der von 2006 bis 2008 abgerissen wurde. 2002 hatte der Bundestag den Wiederaufbau des Schlosses als Humboldt Forum beschlossen. Das rund 625 Millionen Euro teure Humboldt Forum soll bis Ende 2018 fertiggestellt und 2019 eröffnet werden. Um einige Details wird weiter gestritten.
Im Stadtgespräch schildert Joachim Dresdner den aktuellen Stand:
Summer in the City: Auf den Rasenflächen zwischen Dom, Altem Museum und der Spree lagern junge Touristen. In ihren Blick drängen sich Teile der Schlossfassade, hässlich verhüllt.
Stadtgespräch jedoch sind nicht so sehr diese riesigen Werbebanner für Handys am Stadtschloss mit denen die davorstehende, mehrstöckige Humboldt-Infobox refinanziert werden soll, sondern Schlagwörter wie „Disneyland“, oder „Vernachlässigung der Exponatengeschichte“.
Worum geht es?
Um die vielen verschiedenen Kritiken, die Berliner Medien zurzeit verbreiten. Ich fang‘ mal optischen gesehen „oben“ an:
Senatsbaudirektorin Regula Lüscher sprach sich in der „Stuttgarter Zeitung“ gegen ein Dachrestaurant aus. Das hätte Schlossarchitekt Franco Stella nicht vorgesehen. Sie sähe die Gefahr, dass – so wörtlich – „die Rekonstruktion ins Disneyhafte kippt“.
Johannes Wien, Vorstandssprecher der Stiftung Humboldt Forum im Berliner Schloss hält dagegen. Alle Beteiligten wollten den Aufenthaltsort und neuen Stadtraum, schließlich habe der Bundestag dafür fünf Millionen Euro bereitgestellt. Johannes Wien sieht schon Besucherströme:
„Die werden es lieben, die Dachterrasse. Wir werden Schlangen unten haben, da alle da hoch wollen, also da mache ich mir gar keine Sorgen. Der Blick ist irre. Niemand wird darüber nachdenken, ob es das früher gab oder nicht, sondern alle werden davon begeistert sein.“
Den Blick von dort über die Schlossbrücke in die Allee „Unter den Linden“ mit Zeughaus und Staatsoper hinein, den kann ich mir vorstellen. Einen Vorgeschmack bekommt, wer heute vom Dachrestaurant der Humboldt-Box in die „Linden“ hinein bis zum Brandenburger Tor schaut.
Während die Dachterrasse von der Straße aus kaum zu sehen sein wird und das Gesamtbild kaum beeinträchtigt, bildet ein Kreuz auf der rekonstruierten Kuppel den sichtbaren Abschluss in der Höhe. Die Grünen und die Linken sind dagegen, Kirchen und die CDU dafür.
Unbeeindruckt von der politischen Diskussion, ob das geplante Kreuz den Dialog der Kulturen und Religionen gefährde, hält die Stiftung Humboldt Forum an der historischen Rekonstruktion fest.
„Wer hat das noch, ein Gebäude, das innen ganz modern ist, außen wie ein Schloss aussieht, Kunst und Kultur aus aller Welt zeigt und trotzdem auch den Bezug zur Geschichte Berlins hat, also einfach was Besonderes und das positiv zu sehen, das würde ich mir wünschen aber ich glaube, die meisten Besucher werden das auch tun.“
Johannes Wien blickt in Richtung Eröffnung. Die sollte mit dem 250. Geburtstag Alexander von Humboldts am 14. September 2019 verbunden sein, selbst wenn im neuen Schloss noch nicht alles fertig wäre.
Das geht bei der Staatsoper ja auch. Die wird am 3. Oktober dieses Jahres eröffnet und danach für letzte Arbeiten noch einmal geschlossen.
Bis das Humboldt Forum also 2019 seine Arbeit aufnehmen kann, wird weiter heftig gestritten, auch um die Innereien. In der zweiten und dritten Etage soll es um „Verhältnis Berlins zur Welt“ (Parzinger) gehen, sozusagen eine Reise durch die Welt, bei der immer wieder neue Themen aufgegriffen werden.
Im Streit um die Darstellung der Kolonialgeschichte einiger Exponate schmiss eine renommierte Kunsthistorikern hin. Sie verließ das internationale Beratergremium. Darin sieht Hermann Parzinger, einer der Gründungsintendanten des Humboldt Forums, eine Mischung aus Missverständnis und Aufgeregtheit:
„Bei der Art der Präsentation der Sammlungen sind wir natürlich mit Kooperationspartnern in allen Herren Ländern schon am Zusammenarbeiten, …
Was mir ja ganz wichtig ist, dass man die Geschichte die wir um die Objekte erzählen, nicht nur unsere Perspektive, sondern auch die Perspektive der Herkunftsländer, dass das mit einbezogen wird. … Da sind ständig Gäste, aus Nordamerika, aus Südamerika, aus Asien, aus allen Kontinenten letztlich. Und das ist eigentlich die große Chance, die drin steckt, dass man an diesen Sammlungen, mit diesen Sammlungen gemeinsam arbeitet und versucht wirklich auch die Blickwinkel des anderen zu verstehen, auch wenn sie konträr dem eigenen entgegenstehen. Das muss das Humboldt-Forum aushalten und das, glaube ich, muss ein Kennzeichen dieser Arbeit dort werden.“
Parzinger stört es, wenn immer nur gefordert wird. Man solle die Museen unterstützen bei dieser Art von Herkunftsforschung, mit Manpower, mit Forschung. Dazu gebe es in der Politik erste Überlegungen:
„Man sollte das Thema Kolonialismus jetzt nicht nur an den Museen festmachen! Das ist ein Problem der gesamtdeutschen Geschichte, verschüttet durch die unsäglichen Verbrechen des 20. Jahrhunderts, Holocaust und so weiter, und ich glaube schon, dass das ein Thema ist in unserer Öffentlichkeit, was breiter diskutiert werden muss, auch außerhalb und auch ohne der Museen.“
Die Schlossrekonstruktion ist in der Zielgeraden. Bei Baustellenführungen drängen sich jetzt schon die Besucher. Sie wollen sehen, was passiert und was geplant ist, beobachtet Johannes Wien von der Stiftung Humboldt Forum: „Seitdem wir jetzt die Tore ja auch aufmachen, ist mein Eindruck, die Berliner nehmen es an. Man sieht immer mal Leute auch vorbeigehen: guckt hier unser Schloss!“
Auch der Vater des Gedankens „Stadtschlossreko“ wirkt immer zufriedener: Wilhelm von Boddin, einst vom Stadtmagazin “tip“ als peinlichster Berliner gescholten, der dem Ansehen der Hauptstadt mit diesem „geradezu schädlichen Anachronismus“ schade.
Der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Schloss wird die noch fehlenden Gelder zusammenbringen. „Das Haus soll den Menschen Vergnügen machen und auch die weniger Gebildeten erreichen“ sagt Wilhelm von Boddin.
Es werde ein Wahrzeichen, das die Stadt wieder zusammenführt:
„Wir heilen die Stadt architektonisch. Das Zentralgebäude kommt zurück. … von der Zukunftsaufgabe her ist das einzigartige die Kombination aus Museum, aus Wissenschaft, aus Gesellschaft, aus Politik und aus allen Arten der Künste, aus den Museen, den bildenden Künste, von Theater über Musik, es wird im Grunde die eierlegende Wollmilchsau. ….Das kann keiner mehr umpusten, es steht!
Genauso wie feststeht, dass Berlins Mitte kein Museum, sondern eine lebendige Stadt ist, keine Träumerei aus vergangenen Zeit, sondern ein quirliges hier und jetzt, das sich ständig weiterentwickelt.