Skip to content
Marco Müller, Küchenchef Restaurant Rutz Berlin, Stephan Hentschel, Küchenchef Restaurant Cookies Cream Berlin, Maria Gross, Inhaberin und Köchin Speisewirtschaft Bachstelze Erfurt, Dr. Stefan Elfenbein, Vorsitzender der Jury "Berliner Meisterköche" und Uwe Krohn, Senior Vice President Sales H-Hotels (v.l.) Foto: Prof. Dr. Jörg Soller

Junge Sterne am kulinarischen Himmel über Ostdeutschland

Junge Gastronomie im Osten greift nach Sternen / Rückbesinnung auf regionale Küche – aber hochveredelt

Ein recht ungewöhnliches Sternekoch-Trio stellte sich am 1. Februar 2018 Berliner Journalisten, Gastronomen und Hoteliers vor.  Alle drei haben sich sich mindestens eine Michelin-Trophäe erkocht und verkörpern die Generation der  ostdeutschen Nachwende-Köche. Die jungen „Küchenwunder“ stammen aus Thüringen, Brandenburg und Sachsen. Als sie geboren wurden, waren das noch die Bezirke Erfurt, Potsdam  und Dresden.

Nur Marco Müller, der heute im Berliner „Rutz“ das Sagen hat, begann mit seiner Lehre noch zu DDR-Zeiten. Kein aufregender Beruf war das damals, gesteht er ein, aber eine solide Ausbildung erhielt  man allemal. Und die Fähigkeit, sich nach Produkten umzuschauen, wenn man seinen Gästen etwas Besonderes bieten wollte. Auch wenn dem recht enge Grenzen gesetzt waren. Bei allen dreien spielen deshalb Regionalität, Nachhaltigkeit und Kleinteiligkeit im positiven Sinne des Wortes eine besondere Rolle. Die Küchenchefs wissen vor allem genau, woher ihre Produkte kommen.

Nach dem Mauerfall ist Müller in den Westteil von Berlin gegangen und hat sich in der Spitzengastronomie umgetan. Und  festgestellt, „man kocht nicht nur mit Wasser“. Mit dieser nicht nur philosophischen sondern auch küchentechnischen Erkenntnis meint Müller die Fonds, die man sich im Westen zog und so zu neuen Geschmacksnuancen kam. Das Sprachbild überzeugt. Nach und nach hat sich der gebürtige Potsdamer die kulinarische Stufenleiter nach oben getastet.

Als „Maria Ostzone“ stellte sich Maria Groß vor. Die junge Frau, Jahrgang 1979, betreibt das Restaurant „Bachstelze“ in Erfurt-Bischleben. Mit ihrer direkten Art und ihrem eindeutigen Bekenntnis zu ihrer ostdeutschen Heimat gewann sie  die Sympathie der rund 100 Gäste. Das Philosophie-Studium hat sie abgebrochen und sich einige Jahre in der Schweiz herumgetrieben, um sich dort in der hochkarätigen Küche „durchzubeißen“. Der „Ruf der Heimat“ hat sie wieder nach Erfurt geführt. Im „Kaiserhof“ kam sie  zum Michelin-Stern.

Als „Exot“ unter den europäischen Sterneköchen gilt Stephan Hentschel. Er bietet seinen Gästen im Berliner „Cookies Cream“ durchweg vegetarische Küche. Dahinter steckt eine ganze Philosophie über regionale  und qualitativ hochwertige Produkte. Mit 44  Euro für drei  Gänge  – und das in der hauptstädtischen Sterne-Gastronomie –  ist Hentschels Küche auch für einen größeren Gästekreis bezahlbar. Übrigens: Im „Rutz“ kostet hingegen ein Vier-Gänge-Menü 89 Euro.

Machen wir uns aber nichts vor; auch für mittlere Einkommen bedeutet ein solches Speisevergnügen eine  Menge Geld. Allerdings, da herrscht Übereinstimmung bei den drei Akteuren, sei man in Deutschland – im Gegensatz zu Frankreich – nicht bereit, für gutes Essen auch entsprechend zu bezahlen.

Das „Gerede von kleinen Portionen und großen Preisen“ könne sie nicht mehr hören, meint die temperamentvolle Maria. Wer das behauptet, habe sich noch nie Gedanken gemacht, was hochwertige und gesunde Produkte kosten.  Fleisch aus der Region? Oder wer weiß schon um die niedrigen Löhne in der Gastronomie? Gewiss hat die junge Küchenchefin nicht Unrecht. Und  trotzdem sind viele der potenziellen Gäste mit diesem Vorurteil belastet. Ja, mancher Zeitgenosse fühlt sich nach einem Ausflug in die Spitzengastronomie darin bestätigt.

Eine gute Idee war, dass auch der 41-jährige Uwe Krohn, Verkaufsmanager der gastgebenden H-4-Hotelgruppe, seine Erfahrungen einbringen konnte. Sterne-Gastronomie spiele in Ketten wie in seiner eine recht untergeordnete Rolle. Alle Versuche seien fehlgeschlagen. Und wer hat nicht selbst die Erfahrung gemacht: Will man die einheimische Küche kennenlernen, dann verschafft man sich am besten einen Eindruck nach einem Bummel in einem Stadt-Restaurant oder einem Land-Gasthof.

Schade, dass nicht noch mehr Zeit für Fragen von Journalisten im Auditorium möglich war. Doch es blieb noch reichlich Raum für individuelle Gespräche. Meine persönliche  Erkenntnis des Abends:  Bei dem gesunden Selbstbewusstsein, den Ideen  und dem handwerklichen Können junger  Küchenchefs aus Ostdeutschland kann man optimistisch in die kulinarische Zukunft der Regionen östlich von Elbe und Saale blicken. Selbst für gestandene Feinschmecker sind diese Gegenden also Reisen wert.

Lars Franke

An den Anfang scrollen