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Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende Berliner Verkehrsbetriebe BVG, Bettina Jarasch, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, und Peter Buchner, Vorstandsvorsitzender S-Bahn Berlin (v.l./Foto: Bernd Elmenthaler)
Eva Kreienkamp, Vorstandsvorsitzende Berliner Verkehrsbetriebe BVG, Bettina Jarasch, Bürgermeisterin von Berlin und Senatorin für Umwelt, Mobilität, Verbraucher- und Klimaschutz, und Peter Buchner, Vorstandsvorsitzender S-Bahn Berlin (v.l./Foto: Bernd Elmenthaler)

Jederzeit mobil genug in Berlin?

 Eine riesige Werkhalle voller rot-gelber S-Bahn-Wagen verschiedener Baureihen, dazu Radsätze, Drehgestelle, Fahrmotoren, Elektronikteile und andere Baukomponenten bildeten am 4. Juli 2022 das originelle Ambiente für ein Medienforum zur Mobilität in der Hauptstadt. Es ging vor der Sommerpause um die spannende Frage: „Unterwegs in Berlin – jederzeit mobil genug?“. Schauplatz war das S-Bahn-Werk Schöneweide, wo Wartungs- und Reparaturarbeiten sowie Revisionen an S-Bahn-Zügen stattfinden.

Mit den aktuellen Stichworten „Zeitenwende, Mobilitätswende“  wies Moderator Peter Neumann von der „Berliner Zeitung“ vor den rund 50 Teilnehmern eingangs  darauf hin, dass es sich bei diesem jedermann (ob Berliner oder Tourist) interessierenden Thema um ein „weites Feld“ handele, was natürlich in anderthalb Stunden nicht allumfassend zu bewältigen war. Da es sich aber um ein, wie der Mitveranstalter Ewald König  anmerkte, nicht alltägliches „Gipfeltreffen“ der Berliner Verkehrspolitik handelte, war die Erwartungshaltung des Publikums besonders groß. Auf dem Podium: Bettina Jarasch (Bündnis 90/Die Grünen), Bürgermeisterin und Senatorin für Umwelt, Mobilität. Verbraucher- und Klimaschutz, Gastgeber Peter Buchner, Chef der Berliner S-Bahn, und Eva Kreienkamp, Vorstandvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe BVG.

Senatorin Jarasch wies mehrfach auf die grundsätzliche Zielstellung hin: „Berlin soll bis 2045 klimaneutral werden“. Darauf müssten alle Maßnahmen und Beschlüsse ausgerichtet sein. Der Verkehrssektor, wo die CO2-Emmissionen leider wieder angestiegen seien, müsse dazu einen spürbaren Beitrag leisten. Und sie sei fest davon überzeugt, dass „wir in einer Stadt leben, die eigentlich ideale Voraussetzungen hat, die Mobilitätswende hinzukriegen“.

Ein wichtiger Beitrag dazu sei das 2018 beschlossene Berliner Mobilitätsgesetz – das erste in Deutschland. Es regelt den Vorrang des Umweltverbundes aus öffentlichem Personennahverkehr (ÖPNV), Fuß- und Radverkehr insbesondere vor dem privaten Autoverkehr. Frau Jarasch konstatierte aber auch realitätsnah: „Nach wie vor gibt es hier zahlreiche Autos. Ganz viele Menschen nutzen das eigene Fahrzeug als Berufspendler oder in der Freizeit. Bei der ÖPNV-Nutzung gab es durch Corona vor allem wegen der Enge in den Fahrzeugen – Angst vor Ansteckungen  – einen großen Rückschlag.“ Und der Ausweg? „Wir versuchen, das zu ändern. Vor allem mit einem gut ausgebauten ÖPNV-Netz. Auch steigen immer mehr Menschen  – nicht zuletzt durch die Pandemie beschleunigt – auf das Fahrrad um, obwohl wir auch da noch nicht alle Voraussetzungen geschaffen haben, insbesondere durch geschützte Radfahrstreifen an allen großen Straßen. Da bleiben wir jedoch verstärkt dran.“

Als großen Erfolg für den Nahverkehr bezeichneten alle drei Podiumsgäste übereinstimmend das vom Bund für drei Monate eingeführte schnäppchenhafte 9-Euro-Ticket. Verkehrssenatorin Bettina Jarasch: „Es zeigt sich, dass die Menschen zum Umstieg bereit sind, wenn es einen günstigen Fahrpreis gibt.“ BVG-Chefin Eva Kreienkamp zur bisherigen Bilanz: „Wir haben im Monat regulär 850.000 Abonnenten und dann noch eine Million 9-Euro-Tickets obendrauf – das ist schon sensationell. Es handelt sich um ein sehr einfaches, barrierefreies Produkt, das in ganz Deutschland gilt.“ Der Preis sei also nicht der einzige Schlüssel für den Erfolg. Der oberste S-Bahner Peter Buchner bewertete das 9-Euro-Ticket als „tolle Chance, die Leute wieder zurück in die Züge zu kriegen“. Die S-Bahn habe generell keine Probleme damit, die zusätzliche Nachfrage zu bedienen. Es werde in nächster Zeit auch eine Menge neuer Züge und zusätzliche Kapazitäten geben, kündigte Buchner an.

Auch Frau Jarasch richtete den Blick nach vorne. „Wie weiter nach dem Ende August auslaufenden 9-Euro-Ticket? Wir müssen versuchen, aus dem jetzigen starken Impuls mit neuen Ideen und Anreizen etwas Nachhaltiges zu machen.“ Neben weiterhin attraktiven Angeboten sei es aber auch wichtig, dass die dringend benötigten Rationalisierungsmittel für den Ausbau des ÖPNV fließen. „Gut, dass sich der Bund vorgenommen hat, die Finanzmittel für den ÖPNV bis 2030 zu verdoppeln.“ Zu konkreten Berliner Vorschlägen für eine sinnvolle und praktikable Nachfolgelösung für das 9-Euro-Ticket mochten sich die Diskutanten freilich (noch) nicht durchringen, zumal zur Zeit bundesweit alle möglichen Gedanken zu diesem Thema herumschwirren. Auch müssten die 75  Verkehrsverbünde (VVB) einbezogen werden.

Der Moderator wies darauf hin, dass es im Nachbarland Brandenburg sogar eine Diskussion gibt, „entgegen dem Trend“ zum 1. Januar 2023 die Fahrpreise im ÖPNV zu erhöhen, um die steigenden Kosten abzufangen. Das Tarifsystem – so war der Debatte zu entnehmen – sollte entsprechend den veränderten Bedingungen neu durchdacht werden. So brachte Eva Kreienkamp den Gedanken kilometerabhängiger Tarife ins Spiel, was von Peter Buchner als zu kompliziert abgelehnt wurde. Und Bettina Jarasch erneuerte ihren Vorschlag, über eine „umlagefinanzierte Mobilitätsabgabe“ nachzudenken, die alle Berliner bezahlen müssten. Dies laufe auf eine einfach handhabbare Flatrate und solidarische Lösung hinaus. Auf jeden Fall wurde deutlich: Bevor hier Nägel mit Köpfen gemacht werden, dürfte noch allerhand Wasser die Spree hinab fließen.

Auf dem „weiten Feld“ der hauptstädtischen Mobilität gab es natürlich noch eine Reihe weiterer dicker Brocken, denen sich die „Gipfelstürmer“ widmeten. So bezog Senatorin Jarasch kritisch Stellung zu den seit Wochen in Berlin laufenden Verkehrsblockaden von Klimaaktivisten der Initiative „Letzte Generation“. Die dadurch hervorgerufenen Beeinträchtigungen und Staus, verbunden mit teils sehr aggressiver Stimmung auf den Straßen und Autobahnen, könnten nicht hingenommen werden. „Ich teile zwar die Ziele der ungeduldigen jungen Leute, habe aber kein Verständnis dafür, sich und andere zu gefährden“, betonte die Politikerin, die für ein noch schnelleres Umsteuern plädierte.

Erörtert wurden – nicht zuletzt aufgrund von Wortmeldungen aus dem Publikum – auch solche Punkte wie die unzureichende Kontrolle der Maskenpflicht in Bussen und Bahnen, die von der BVG geplante Nachfolgeregelung für den Sammelbus „Berlkönig“ im Osten der Stadt, das bislang unzureichend umgesetzte Projekt autofreie Friedrichstraße, die dringend notwendige Beschleunigung des Busverkehrs, der weitere Ausbau des Straßenbahn- und U-Bahnnetzes, die verkehrlich sinnvolle Anbindung neuer Wohngebiete. Besonders hoch schlugen die Wellen bei den Themen des notorisch schleppenden Tempos bei Verkehrsbauten und des umstrittenen Weiterbaus der Stadtautobahn A 100. Hier blieb die Verkehrssenatorin bei ihrem bekannten Kontra. Das Ganze sei aus mehreren Gründen ein „Projekt der Vergangenheit und nicht der Zukunft“.

Auch wenn die hohen Erwartungen der Forumsbesucher nicht zur Gänze erfüllt wurden, so gab es doch eine Reihe von hoffentlich nachwirkenden Denkanstößen und Impulsen.

Manfred Weghenkel

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