Das Interesse an Informationen und Diskussion war groß. Davon zeugte der volle Saal mit 125…
Reisebusse rollen wieder, aber…
Pünktlich zum Start der Urlaubs- und Reisesaison widmete sich der TourismusDialog.Berlin am 22. Juni 2021 dem topaktuellen Thema, wie es nach der mehr als einjährigen Corona-Leidensphase um die Busreisebranche bestellt ist und wohin sie bei weiter abklingender Pandemie rollt. Das Medienforum fand sowohl erfreulicherweise wieder mal als Präsenzveranstaltung als auch digital als Livestream in der Berliner bbw Hochschule statt. Es zog mehr als 20 Teilnehmer – Journalisten, Touristiker, Marketingmanager – vorwiegend aus der Hauptstadt an. Auf dem Podium debattierten kompetente Busexperten über das spannende Thema. Die Moderation lag in den Händen des anerkannten Mobilitätsjournalisten Peter Neumann von der Berliner Zeitung. Abschließend stellten sich die Podiumsakteure den Fragen des Publikums.
„Wie Unsicherheit von Fahrgästen bei Busreisen begegnen?“ war der thematische Fokus des Treffens. Die Gesprächsrunde versuchte, profunde Antworten auf solche und ähnliche Fragen zu geben: Wie kommt die Bustouristik wirksam aus der Corona-Krise? Welche Risiken durch die Pandemie bleiben für Fahrgäste? Wie sicher können sich Reisende fühlen? Wie klimafreundlich ist der Bus? Was wird für die stärkere multimodale Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsangebote getan? Wie lassen sich Verkehrsmittel im Nah- und Fernverkehr so vernünftig miteinander verknüpfen, dass mehr Leute mit dem Bus fahren? Was ist zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Urlaubsregionen dringend geboten? Wie verfügbar ist WLAN in Bussen? Können Reisende überregional Tickets buchen und bezahlen? Wie preiswert sind die Fahrten im Vergleich der Verkehrsmittel?
Der Präsident des bereits seit 70 Jahren bestehenden, in Köln beheimateten Internationalen Bustouristik Verbandes (RDA), Benedikt Esser, umriss zunächst mit einigen beeindruckenden Zahlen den Stellenwert der mittelständisch geprägten deutschen Busreisebranche: rund 3.000 Busunternehmen, davon etwa 1.200 auch Reiseveranstalter. Auf den Autobahnen und Straßen seien etwa 12.000 Reisebusse unterwegs, darunter großteils moderne Fahrzeuge der Euro 5-Norm. Die überwiegend familiengeführten Busunternehmen beschäftigten rund 40.000 Menschen.
Auf die Frage des Moderators, wie sie seit März 2020 durch die Pandemie-Krise gekommen sind, antwortete Esser pointiert: „Jeder in der Branche ist an seine Grenzen gekommen.“ Der Verbandspräsident dann etwas detaillierter: „Das Busreiseverbot hatte massive Auswirkungen auf das Geschäft. Alles brach innerhalb von kurzer Zeit weg. Wir wurden zum Stillstand verdonnert. Sofortkredite durch Banken reichten nicht. Zum Glück hat das Bundesverkehrsministerium schnell reagiert und 170 Millionen Euro Soforthilfe für die Reisebusbranche bereitgestellt. Dieses Programm ist sehr gut gelaufen. Wichtig war auch, dass wir die Abschreibungen für die eigenfinanzierten Fahrzeuge bekommen haben. Es folgten die Überbrückungshilfen 1 bis 3. Die Finanzspritzen vom Staat sind für die Unternehmen eine wichtige und willkommene Hilfe in der aktuellen Notlage. Positiv auch das Kurzarbeitergeld und dass drohende Insolvenzen ausgesetzt wurden.“
Der Netzwerk-Planungschef der FlixMobility GmbH, Bartemeus de Wit, berichtete: „Uns hat die Krise ebenfalls hart getroffen, zumal wir Fernbusse nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit und sogar in den USA anbieten. Wir mussten sofort ‚den Stecker ziehen‘ und alles herunterfahren. Es war ein Riesenschock. Die Reisebereitschaft der Kunden war wegen Corona stark eingeschränkt. Letzten Sommer haben wir nur 20 bis 30 Prozent des normalen Angebotes realisiert. In den USA, wo die Bedingungen freilich etwas anders sind, kamen wir schneller wieder in die Gänge. Dort sind wir jetzt schon stärker als vor der Krise. Das macht Hoffnung auch für die Märkte in Deutschland und Europa. Die Leute wollen reisen. Das ist ein bleibendes Grundbedürfnis. Und wenn Corona weiter zurückgedrängt wird, sollte auch die erneute Nachfrage für Busreisen steigen.“ De Wit verwies z. B. darauf, dass die Fernbus-„Klassiker“, wie die Strecken Berlin – Hamburg oder Dresden – Leipzig, bereits wieder „ganz ordentlich laufen“. Als junges, flexibles Tech-Unternehmen sei FLIXBUS in der Lage, das Netz dynamisch hoch- und herunterzufahren, auch auf die Nachfrageschwankungen im Jahresverlauf zu reagieren. Trotz weiterer Probleme in Coronazeiten zeigte sich der FLIXBUS-Direktor zuversichtlich: „Wir sehen bereits Licht am Ende des Tunnels!“
RDA-Präsident Benedikt Esser teilte diesen Befund. „Fallende Inzidenzen, steigende Impfzahlen und das verantwortungsvolle Einhalten der Corona-Hygieneregeln durch die Fahrgäste sowie natürlich die generellen Pluspunkte des umweltfreundlichen, flexiblen Verkehrsträgers Bus, der über außerordentlich leistungsfähige Klima- und Lüftungsanlagen verfügt – auch wir sehen jetzt Licht am Ende des Tunnels.“ Allerdings appellierte der Verbandspräsident an die Politik: „Wir und die anderen Verbände der Busbranche kämpfen dafür, dass einheitliche Regeln für Busreisen in Deutschland gelten. Es darf keinen Flickenteppich geben; der muss weg. Das bleibt die wichtigste Grundvoraussetzung. Und ebenso sehr relevant ist, dass die finanziellen Hilfen fortgeführt werden. Wir können nicht weitermachen ohne ein klares Statement der Regierung, dass die Überbrückungshilfen nicht im September enden, sondern mindestens bis zum Jahresende weitergehen. Dazu gehört auch die Kurzarbeitergeld-Regelung. Alles andere wäre für uns hochgradig schädlich. Wir müssen nach dem Ende der Saison von Ende Oktober bis zum nächsten Osterfest eine lange Zeit überbrücken. Und das schaffen wir nicht ohne Überbrückungshilfen.“
Vom Moderator auf eine eventuelle Busmaut angesprochen, erklärte Esser: „Ich glaube, wer jetzt anfängt, die Reisebusbranche, die eine noch nie dagewesene Krise erlebt hat und immer noch mittendrin steckt, auch nur gedanklich weiter zu belasten, der hat den Knall noch nicht gehört. Ganz anders sollte gedacht werden: Wenn der Staat möchte, dass mehr auf klimaschützende Verkehre umgestiegen wird, dann muss er alles dafür tun, dass diese Verkehre attraktiver werden. Da kann ich auch nicht die Steuer da belassen, wo sie jetzt ist. Dies heißt, andere Verkehrsträger wie die Bahn mit 7 Prozent zu besteuern, aber Busse zahlen 19 Prozent. Oder wieder andere, die Kerosin verwenden, gar steuerfrei zu halten. Wir brauchen gleiche Bedingungen für den bislang unterbewerteten Reisebus als wichtigen Verkehrsträger der Zukunft!“
Manfred Weghenkel